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Stand 14.07.2012

Platzierung im Hauptstudium des modularisierten SJ: HS I M 11 und HS II M 14

Unter Rückführungsrecht im weitesten Sinne wird das Sachgebiet für Anordnung und Vollzug einer Einreiseverweigerung (Zurückweisung) im Falle des Nichtvorliegens der Einreisevoraussetzungen oder der Aufenthaltsbeendung (Zurückschiebung, Abschiebung) im Falle vollziehbarer Ausreisepflicht verstanden. Im engeren Sinne ist die Rückführung der Vollzug von Zurückeisung, Zurückschiebung oder Abschiebung durch begleitete oder unbegleitete Rückbeförderung. Die EU-Rückführungsrichtlinie bezieht sich ausschließlich auf die Anordnung und den Vollzug der Abschiebung. 

1. Zurückweisung

1.1 Zurückweisungsgründe

Die Zurückweisung (§ 15 AufenthG, § 33 III AsylVfG) eine aufenthaltsverhindernde Maßnahme der Einreiseverweigerung vor der Einreise zur Verhinderung einer unerlaubten Einreise (§ 15 I) oder einer Einreise, bei der bereits an der Grenze Ausweisungsgründe, ein wesentlicher Zweckwechsel, eine geplante ungenehmigte Erwerbstätigkeit durch einen Schengen-Visa-Inhaber oder Visumbefreiten oder das Nichterfüllen der Voraussetzungen des Art. 5 SGK oder des § 5 I AufenthG festgestellt werden (§ 15 II, III AufenthG). Im Falle des Nichterfüllens der Einreisevoraussetzungen nach Art. 5 I a-e VO (EG) Nr. 562/2006 (a) und b) sind identisch mit der Pass- und Visumpflicht gem. §§ 3, 4 AufenthG, c) Zweck-Mittel-Nachweis, d) keine SIS-Ausschreibung, e) keine Gefahr für die öffentl. Sicherheit) schreibt Art. 13 I VO (EG) Nr. 562/2006 die Einreiseverweigerung vor.

Im Falle der ZW wegen ist ein ggf. vorgelegtes Visum gem. Art. 34 I VO (EG) Nr. 810/2009 (Visakodex/VK) durch die Grenzpolizei zu annullieren, wenn die Erteilungsvoraussetzungen (Art. 21 I VK) von Anfang an nicht vorgelegen haben, insbesondere im Falle einer Visaerschleichung.

Auf Grund des Verweises des § 15 IV AufenthG auf § 60 AufenthG sind ZW-Verbote zu beachten.

1.2 Zurückweisungshaft und Transitunterbrinung

ZW-Haft wird in § 15 V AufenthG geregelt. Antrag und Anordnung richten sich nach §§ 417ff FamFG. Die Unterbringung im Flughafentransit wird in § 15 VI AufenthG geregelt und setzt nach 30 Tagen einen Gerichtsbeschluss voraus. Auch die Transitunterbringung führt zur Verpflichtung einer Belehrung gem. Art. 36 I b WÜK (BGH, Beschl. v. 14.07.2011 - V ZB 275/10).

1.3 Rückbeförderungspflicht

Gem. § 64 I AufenthG ist der Beförderungsunternehmer im Falle der Zurückweisung zur Rückbeförderung des Drittstaatsangehörigen verpflichtet. Es handelt sich um eine verschuldensunabängige Risikohaftung unabängig vom ZW-Grund und unabhängig von der Erfüllung der Pflicht zur Überprüfung der Einreisedokumente nach § 63 I AufenthG. Der Umfang der Kostenhaftung folgt aus §§ 66 III, 67 AufenthG.

2. Ausreisepflicht und Durchsetzung

2.1 Eintritt der Ausreisepflicht (§ 50 I AufenthG)

Die Ausreisepflicht eines Drittstaatsangehörigen nach § 50 I AufenthG tritt z.B. ein durch Ablauf der zeitlichen Geltung eines Aufenthaltstitels (§ 51 I Nr. 1 AufenthG), Erlöschen einer Aufenthaltsgestattung im Asylverfahren (§ 67 I AsylVfG) oder Aufenthalt ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach unerlaubter Einreise wie auch nach Versagung eines beantragten Aufenthaltstitels oder Erlöschen eines Aufenthaltstitels infolge einer Ausweisung (§§ 53, 54, 55 AufenthG). Wenn die Ausreisepflicht vollziehbar ist, kann sie im Wege der Zurückschiebung oder Abschiebung durchgesetzt werden (vgl. §§ 57, 58 AufenthG).
Die Ausreisepflicht wird gem. § 50 III Satz 1 AufenthG nicht erfüllt durch Ausreise in einen EU- oder Schengen-Staat, in dem der Drittstaatsangehörge kein Einreise- und Aufenthaltsrecht hat. Hat der Drittstaatsangehörige in einem anderen EU-/Schengen-Staat ein Einreise- und Aufenthaltsrecht, so ist er gem. § 50 III Satz 2 AufenthG zur dorthin aufzufordern (VG Düsseldorf, Beschl. v. 04.06.2012 - 22 L 613/12).

Die Ausweisung (§§ 53, 54, 55 AufenthG) ist eine der Maßnahmen der Ausländerbehörde zur Begründung der Ausreisepflicht und zum Eröschen eines ufenthaltstitels (§ 51 I AufenthG). Sie erfolgt je nach Gefahrenintensität obligatorisch (§ 53 AufenthG), als Regel-Ausweisung (§ 54 AufenthG) oder als Ermessens-Ausweisung (§ 55 AufenthG).

2.2 Abschiebung

Die Abschiebung (§§ 58-62 AufenthG) ist ein Verwaltungsakt der Verwaltungsvollstreckung zur Durchsetzung der durch §§ 50 I, 51 AufenthG eingetretenen vollziehbaren Ausreisepflicht (z.B. nach bestandskräftiger Ausweisung im Sinne von §§ 53, 54, 55 AufenthG oder bestandskräftigem Widerruf eines Aufenthaltstitels nach § 52 AufenthG oder nach Ablauf der Geltungsdauer eines Aufenthaltstitels), sofern der Ausländer nicht fristgemäß freiwillig ausreist. Im Falle rechtlicher (§ 60 AufenthG) oder tatsächlicher Abschiebungshindernisse hat die Aussetzung der Abschiebung (Duldung) zu erfolgen (§ 60a II AufenthG) - nach neuer Rechtslage (BGBl. 2007 I 1970) auch im Falle gescheiterter Rückführung und Durchbeförderung (§ 60a IIa AufenthG), in diesem Fall ist die BPOL zuständig (§ 71 III Nr. 2 AufenthG).

Gem. § 59 I AufenthG muss der Abschiebung das Festsetzen einer Ausreisefrist von sieben bis 30 Tage vorausghen (Art. 7 I RüFü-RL). Ein Verzicht ist zulässig im Falle von Fluchtgefahr oder einer vom Ausreisepflichtigen ausgehenden schweren Gefahr für die öffentliche Sicherheit (Art. 7 IV RüFü-RL). Zielstaat der Abschiebung muss ein Drittstaat sein (Art. 6 I RL 2008/115/EG). Die Abschiebung in einen anderen Schengen-Staat ist zulässig, wenn der Ausreisepflichtige dort ein Aufenthaltsrecht hat, z.B. in Form eines Aufenthaltstitels, eines Visums Typ D oder einer Erlaubnisfiktion (Art. 6 II RüFü-RL). Ihr hat gem. § 50 III Satz 2 AufenthG die Aufforderung zur eigeninitiierten Ausreise dorthin vorauszugehen (VG Düsseldorf, Beschl. v. 04.06.2012 - 22 L 613/12).

2.3 Zurückschiebung

Die Zurückschiebung (§ 57 AufenthG, § 18 III AsylVfG) ist ein Verwaltungsakt zur Durchsetzung vollziehbarer Ausreisepflicht (vgl. § 50 I i.V.m. § 58 II Nr. 1 AufenthG).  Im Falle freiwilliger Ausreisebereitschaft ist von einer Zurückschiebung abzusehen (VG München, Beschl. v. 22.11.2010 - M 10 K 10.185; VG Frankfurt/M., Urt. v. 02.03.2011 - 11 K 445/10.F; Westphal/Stoppa, Ausländerrecht für die Polizei, 3. Aufl. 2007, S. 563f). Im Falle eines Asylgesuchs darf nur in den Fällen des § 18 III AsylVfG eine Zurückschiebung erfolgen, der hinter den Dublin II-Regelungen zurück tritt. Auf Grund der EU-Rückführungsrichtlinie RL 2008/115/EG ist die Zurückschiebung nur noch zulässig gem. § 7 I AufenthG nach unerlaubter Einreise über eine Schengen-Außengrenze ("Abfangaufgriff" i.S.v. Art. 2 II a RL 2008/115/EG) oder gem. § 57 II -1. Halbsatz- AufenthG beim Inlandsaufgriff, wenn der Drittstaatsangehörige vollziehbar ausreisepflichtig ist und auf Grund eines am 13.01.2009 (Tag des Inkrafttretens der RL) geltenden bilateralen RüFüAbk. von einem anderen Schengen-Staat aufgenommen wird (vgl. Art. 6 III RL 2008/115/EG). Solche Abkommen bestehen mit den BeNeLux-Staaten, Bulgarien, Dänemark, Estland, Frankreich, Lettland, Litauen, Norwegen, Österreich, Polen, Rumänien, Schweden, Schweiz, Slowakische Rep., Tschechische Rep., Ungarn.

2.4 Eintritt eines Einreiseverbotes

Ausweisung, Zurückschiebung und Abschiebung sind aufenthaltsbeendende Maßnahmen und lösen kraft Gesetzes (§ 11 I AufenthG) ein Einreiseverbot aus. Eine erneute Einreise wäre daraufhin unerlaubt (§ 14 I Nr. 3 AufenthG) und im Falle von Vorsatz strafbar gem. § 95 II Nr. 1 a) AufenthG. Auf Grund der EU-Rückführungsrichtlinie RL 2008/115/EG ist das Einreiseverbot infolge Zurück- und Abschiebung nur noch durch Verwaltungsakt zulässig, nicht mehr kraft Gesetzes (vgl. Art. 11 I i.V.m. Art. 3 Nr. 6 RüFü-RL; Franßen-de la Cerda, ZAR 2009, 17 (20); Westphal/Stoppa, Report AuslR Nr. 23, S. 2, Nr. 24, S. 2). Es ist auf höchstens 5 Jahre zu befristen. Gegen drittstaatsangehörige Opfer von Menschenhandel (§§ 232-233a StGB) wird gem. Art. 11 III S. 2 der RL kein Einreiseverbot ausgesprochen.

3. Abschiebungs- und Zurückschiebungshaft

3.1 Voraussetzungen

Zur Sicherung der Rückführung ist gm. § 62 I AufenthG als letztes Mittel die Anordnung von Haft zulässig. Ein Haftgund bsteht insbesondere dann, wenn der Drittstaatsangehörige sich bereits der Rückfühung entzogen hat oder der dringende Verdacht besteht, dass er sich der Rückfühung entziehen wird (§ 62 II AufenthG). Die Haftnordnung ist unzulässig, wenn die Rückführung aus vom Ausreisepflichtigen nicht zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. 

3.2 Freiheitsentziehungsverfahren


Liegen Haftgründe gem. § 62 AufenthG bzw. § 62 i.V.m. § 57 III AufenthG vor, so kann eine Gewahrsamnahme zur Vorführung vor das AG erfolgen auf Grundlage des § 39 I 3 BPolG zur Verhinderung der Fortsetzung einer Straftat nach § 95 I Nr. 2 AufenthG oder nach § 62 IV AufenthG, wenn die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen vorliegen. In allen anderen Fällen - insbesondere wenn keine Spontangewahrsamnahme vorliegt  (z.B. im Voraus angekündigte Überstellung an der Grenze) - muss vorab ein richterlicher Beschluss über eine vorläufige Freiheitsentziehung eingholt werden (§ 427 II FamFG, früher § 11 FEVG).  Vgl. BVerfG InfAuslR 1996, 198 (200); OLG Braunschweig InfAuslR 2004, 166; OLG Köln InfAuslR 2005, 422; LG Osnabrück, Beschl. v. 17.01.2005 - 11 T 1149/04. Es muss sich um einen schriftlichen § 427 FamFG-Beschluss handeln, eine fernmündliche Haftbestätigung reicht nicht aus (LG Osnabrück, Beschl. v. 25.04.2005 - 11 T 311/05 - zu §§ 11 II, 6 I FEVG a.F.). Der Antrag ist an das zuständige AG zu richten, das die Anhörung des  Betr. durchführt (§ 420 I, II FamFG, früher § 5 I FEVG). Mit dem Haftantrag ist die sofortige Wirksamkeit (§ 422 II FamFG, füher § 8 I Satz 2 FEVG) zu beantragen.

3.3 Minderjährige

Gegen Minderjährige wird in aller Regel aus Gründen der Verhältnismäßigkeit keine Haft angeordnet, vgl. OLG Köln, Beschl. v. 11.09.2002 - 16 Wx 614/02; KG Berlin InfAuslR 2005, 268; OlG München, Beschl. v. 09.05.2005 - 34 Wx 037/05- dann darf auch gegen den begleitenden Erwachsenen keine Haft angeordnet werden, da Art. 9 I UN-Kinderkonvention (Trennungsverbot) zu beachten ist. In aller Regel sind unbegleitete Minderjährige an das Jugendamt zur Inobhutnahme nach § 42 I Nr. 3 SGB VIII weiter zu leiten. Im Falle einer Haftanordnung gegen Minderjährige und Familien ist gem. Art. 17 II RL 2008/115/EG eine gesonderte Unterbringung mit einem Mindestmaß an Privatsphäre zu gewährleisten.

Stand 14.07.2012

 
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